Haltbarkeit von Seilen

Die Haltbarkeit eines Seils ist überwiegend von seinem Alter und der mechanischen Beanspruchung abhängig, wie die folgende Tabelle zeigt [5], [4], [3]:


Verwendungshäufigkeit

ungefähre Lebensdauer

nie

max. 10 Jahre

selten (ein- bis zweimal pro Jahr)

bis zu 7 Jahren

gelegentlich (ca. einmal pro Monat)

bis zu 5 Jahren

regelmäßig (mehrmals pro Monat)

bis zu 3 Jahren

häufig (jede Woche)

bis zu einem Jahr

ständig (fast täglich)

weniger als ein Jahr

Leider findet sich bei den Quellen kein Hinweis, auf welchen Erfahrungswerten die Tabelle basiert. Allerdings haben sich Tests mit dieser Frage beschäftigt. So wurde vom DAV Sicherheitskreis schon 1992 untersucht, wie Seile unter mechanischer Beanspruchung altern [12]. Dabei stellte sich heraus, dass a) die Kantenfestigkeit eines Seils abnimmt, je länger es gebraucht wird und dass b) ein Seilriss droht, umso mehr Stürze es einstecken muss.

a) Kantenfestigkeit bedeutet das Vermögen eines Seils, Fallenergie über eine Kante aufzunehmen. Diese Eigenschaft ist besonders im alpinen Gelände gefragt, da hier Kantenbelastungen bei Stürzen auftreten können.

Aber auch im Sportkletterbereich hat es in den letzten Jahren schon Seilrisse durch Scharfkantenbelastungen gegeben. So geht diese Gefahr von in Routen fest angebrachten Express-Sets aus, da sich an den Karabinern -wegen der ständig gleichen Schleifbelastung von Seilen- scharfe Kanten bilden können [1]. Zu einem Seilriss kann es auch kommen, wenn das Seil in einen Karabiner so eingeklinkt wird, dass es zwischen Schnapper und einer scharfkantigen Nase klemmt [Foto1]. So geschehen 2006 in einer Kletterhalle in einem Umlenkkarabiner [2].


Foto1 (Autor): Versuch des Einklemmens eines Seils zwischen Nase und Schnapper eines Umlenkers an der Kirchbachspitze ( Berlin )

b) Die Fähigkeit des Seils, Stürze ohne zu reißen abzufangen, ist bei den heute üblichen Kunstfaserseilen sehr gut, wenn keine scharfe Kante im Weg ist. Besonders die meist kurzen Stürze im Sportkletterbereich, machen einem Seil nicht viel aus. Dies hat der DAV Sicherheitskreis ebenfalls 1992 [12] herausgefunden. So wurden Toprope-Stürze simuliert, welche das Seil immer an der gleichen Stelle belasteten. Bevor das Seil komplett riss, war das Seil an der Umlenkstelle abgeplattet und der Mantel ging entzwei. Erst -nach etlichen weiteren Stürzen- riss auch der Kern.

Ein Seil verändert also erst seine Gestalt, bevor es reißt. Davon sind allerdings Stürze an Scharfkanten ausgenommen, an welchen auch neue Seile reißen können [11], [5].

Foto2 (Pit Schubert): Seilriss durch Scharfkanteneinfluss 2006 am Großen Möseler (Zillertaler Alpen) [11]

Sichtbare Merkmale für Seilalterung durch Benutzung ist das Aufpelzen des Mantels [Foto3] und die leichte Verschiebbarkeit des Mantels. Das Seil fühlt sich steif oder schwammig an und das Handling gestaltet sich nicht mehr so flüssig. Der Sichernde wird häufiger durch das störrische Seil abgelenkt - ein Unsicherheitsfaktor mehr. Die verschleißbedingte Abnahme der Elastizität des Seils reduziert ebenfalls die Sicherheit des Kletterers, da beim Stürzen die Fangstöße härter werden.[6], [12]


Foto3 (Autor): Seil mit teilweise aufgepelztem Mantel

Weitere Gründe für ein neues Seil
- Säureeinflüsse. Durch den Einfluss von Säure kam es in der Vergangenheit zu Seilrissen [14], [7]. Außerdem sind für Seile schädlich: Lösungen von Oxidationsmitteln, starke Laugen, Phenole, Kresole und Glykole [8].
- Das Seil wurde durch Steinschlag getroffen.
- Großer, harter Sturz
- Durch Hitze oder Reibung sind Schmelzverbrennungen aufgetreten.
- Der Seilmantel ist so verletzt, dass der Kern offen liegt.
- Das Seil ist extrem verschmutzt und nicht mehr zu reinigen, z.B. durch Fett, Öl, Teer.
[4], [5]


Seilalterung durch Zeit

Aus der obigen Tabelle für die ungefähre Lebensdauer von Seilen geht aus der 1. Angabe außerdem hervor, dass auch unbenutzte Seile altern und dabei ihre Sicherheitsreserven mit der Zeit schrumpfen. Hierzu hat die Zeitschrift Alpin 2010 Tests durchgeführt [10]. Es wurden alte, möglichst unbenutzte Seile getestet, deren Alter zwischen 12 und 24 Jahren lag. Dabei wurden 14 Seile mit den durch die UIAA festgelegten Normstürzen traktiert. Ergebnis war, dass 4 als nicht mehr kletterbar eingestuft wurden und 6 die UIAA-Norm erfüllten. Die übrigen hätte man noch zum Toprope-Klettern einsetzen können, aber nicht mehr zum alpinen Klettern.


Welches Seil?
Die Wahl des richtigen Seiltyps hängt unmittelbar mit der Haltbarkeit eines Seiles zusammen, da die verschiedenen Einsatzarten die Seile unterschiedlich stark strapazieren:

So lassen sich grundsätzlich die folgenden Seiltypen als ausreichend für die verschiedenen Einsatzgebiete zuordnen [12].

Einsatzzweck

Einfachseile

Halbseil

Zwillingsseil

Sportklettern (Halle, künstliche Kletteranlagen)

Einfachseil 1)



Sportklettern Outdoor

normal dickes Einfachseil, ab ca.10 mm und dicker



alpines Klettern


im Doppelstrang

immer als Paar

Gletscher

dünnes Seil ausreichend 2)
Es gibt speziell imprägnierte Seile für diesen Bereich.
siehe auch Hinweis 3)

ein Strang reicht
Kommen steile Passagen mit Sturzgefahr und Felsen: Strang im Doppel verwenden 2).


1) Beim Sportklettern Indoor wird ein Seil überwiegend im Toprope verwendet, dabei ist der Verschleiß beim Ablassen recht groß und man hat länger etwas von einem dickeren Einfachseil [15]. Ausreichend sicher wäre aber auch ein dünnes Einfachseil.

2) Seit den 90er Jahren werden dünne Einfachseile verkauft. So gibt es mittlerweile Einfachseile mit weniger als 9mm Durchmesser. Trotz ihrer Schlankheit erfüllen sie die Mindestanforderung der UIAA Norm für Einfachseile. Aber sie sind empfindlicher gegen Kantenbelastung als dickere Seile [13]. Daher empfehlen sich solche Seile nicht für den Naturfels, außer man nimmt sie doppelt. Optimal dafür sind dünne Einfachseile mit Zwillingsseil-Zulassung, da bei ihnen auch der Fangstoß im Doppelstrang getestet wird und die Norm erfüllt.

3) Ob nun ein dünnes Einfachseil oder ein Halbseil zum Einsatz kommt, im Gletscher kann es steile und mit Felsen durchsetzte Passagen geben. Dort sollte man solche Seile doppelt nehmen [9].


Seilpflege

Durch eine richtige Seilpflege kann die Seilalterung verzögert werden. Neben der mechanischen Beanspruchung durch Benutzung ist Dreck der Feind von Seilen. So gelangen feine Schmutzpartikel erst in den Mantel und wandern weiter zum Kern [Foto4], [15], [3], [6].


Foto4 (Autor): Freigelegter Seilkern

Diesen Prozess kann man durch das Waschen des Seils verlangsamen. Ratsam ist das Waschen des Seils in der Waschmaschine im Schonwaschgang [16], da gründlicher als per Hand. Dabei ist zu beachten: kalt waschen; spezielles Seilreinigungsmittel; nicht schleudern [16]. Das Seil liegend, ohne starke UV-Strahlung trocknen. Die Polyamide der heutigen Seile sind zwar UV-stabilisiert [15], starke und häufige UV-Strahlung macht ihnen jedoch etwas aus.

Durch das Waschen leidet die Imprägnierung eines Seils. Die Imprägnierung soll die Wasser- und Schmutzaufnahme verringern und das Handling des Seils verbessern [4]. Daher empfiehlt es sich, neue Seile nicht sofort zu waschen. Vor allem nicht solche, die in Eis und Schnee zum Einsatz kommen. Für diese macht nach dem Waschen eventuell ein erneutes Imprägnieren Sinn. Im Handel sind dafür spezielle Imprägnierungsmittel erhältlich.

Die Verwendung eines Seilsacks ist beim Sportklettern empfehlenswert, da die Dreckaufnahme reduziert wird [3], [13].


Quellen:

[1] „Seilrissgefahr bei belassenen Expressschlingen“
OeAV, 2012-11

[2] „Unfall mit scharfkantigem Umlenker“
Berg und Steigen, 2003 Nr.3

[3] „Kletterseil - worauf man beim Seilkauf achten sollte“
VIS Bayern, 2014-04

[4] „Kletterseil“
Wikipedia, Stand 2014-05-18

[5] „Lebensdauer - wann ersetzen“
Mammut, Stand 2014-05-18

[6] „Alterung von dynamischen Seilen im Gebrauch“
Tendon, Stand 2014-05-18

[7] „Moderne Zeiten für Bergseile"
Berg und Steigen, 2000 Nr. 3

[8] „Technische Information Polyamid“
Hans Kintra GmbH, Stand 2014-06-01

[9] „UIAA-News“
Berg und Steigen, 2002 Nr.3

[10] „Wann reißen alte Stricke?“
Alpin 2011, Nr.6

[11] „Seilrisse - ein Resümee“
Berg und Steigen, 2009 Nr.2

[12] „Wie stark altern Seile durch Gebrauch?“
DAV Mitteilungen, 1992 Nr.1,2,3

[13] „Wenn dünne Stricke reißen“
DAV Panorama, 2012 Nr.5

[14] „Das erste Mal“
Berg und Steigen, 2006 Nr.1

[15] „Normprüfung von Bergseilen“
Berg und Steigen, 2003 Nr.2

[16] „Das Einmaleins der Kletterseilangaben“
Bergfreunde.de/Basislager, Stand 2012-02-24

Autor: Lothar Sowada,  Stand: 09.09.2014