Ort: Kommune Lierne, Provinz Nord-Trøndelag,
Norwegen Ziel war die Gemeinde Lierne ca. 175 km Luftlinie nördlich von Trondheim. Sie liegt im südlichen, historischen Kulturraum der Samen, welche nach Norden verdrängt wurden. Lierne ist mit 2.962 km² die flächenmäßig größte Gemeinde Trøndelags. Sie hat ca. 1380 Einwohner -Tendenz leicht fallend- und ist damit eher dünn besiedelt. So haben die größeren Siedlungen wie Sandvika, Inderdal, Sørli, und Tunnsjø eher Dorfcharakter. Die Landschaft ist montan und bis ca. 1300 m hoch. Es gibt viele Wasserläufe, Sümpfe und Seen. In den niedrigen Lagen ist Wald dominierend. Oberhalb der Baumgrenze ist das Terrain überwiegend offen und im Übergang zum Fjell meist gering verbuscht. Die Steigungen am Berg fallen oft sanfter als in den Alpen aus. Im Winter ist das Gelände meist leichter zu durchqueren, da dass Wasser aufgrund der tiefen Temperaturen schnell friert. Bei Querung von Wassern sollte man allerdings Vorsicht walten lassen. So bin ich, den Spuren eines Schneemobils folgend, in einen zugefrorenen Bachlauf eingebrochen. Dabei wurde es bis zum Gürtel nass. Wegen der Minustemperaturen gab es dann einen Eillauf zurück zur Hütte. Die niedrigste Temperaturen gab es nachts bis - 20°C, gemessen an der im Wald auf ca. 580m stehenden Hütte. Der Temperaturverlauf schwankte jedoch stark, wobei die Temperaturen immer deutlich unter null blieben. |
Kartenausschnitt [1]: Die Gemeinde Lierne und ihre Lage in Norwegen. |
Der Anteil an Natur und Wildtieren ist in der Gemeinde Lierne hoch. Entsprechend wird für Wildjagd und Fischen geworben. Es gibt die Nationalparks Blåfjella–Skjækerfjella und Lierne Nasjonalpark, welche einen großen Anteil am Gemeindegebiet ausmachen. Der Lierne Nasjonalpark grenzt an Schweden, wo er durch das Hotagens Naturreservat eine Ergänzung findet. Tiere und Pflanze genießen damit einen grenzübergreifenden Schutz. Die Jagd in den Nationalparks ist reglementiert. |
Foto 1: Rentiere in den Hängen des Rovhtege. Blickrichtung Østre Brandsfjellet 1042m vorbei an den Seen Sandsjøen und Laksjøen. |
Neben Rentieren bekamen wir noch Schneehühner zu sehen. Einige kleinere Vogelarten waren mehr hörbar als sichtbar. Von Elch und Vielfraß sah man nur deren Spuren im Schnee. An- und Abfahrt Die Anreise fand u.a. wegen des großen Gepäckumfanges mit dem Auto statt. Lierne liegt ca. 1700 Autokilometer von Berlin entfernt. Man kann entweder mit der Fähre über Dänemark einreisen oder gleich nach Schweden übersetzen. Wir entschieden uns auf der Hinfahrt für die Fährverbindungen Rostock-Gedser und Helsingør-Helsingborg. Auf der Rückfahrt nahmen wir statt der letzteren die Öresundbrücke. Die Einreise über Schweden empfiehlt sich, da die Straßen dort besser ausgebaut sind, die Geschwindigkeitsbegrenzungen entsprechend höher ausfallen und der Sprit günstiger als in Norwegen ist. Als Übergang zwischen Schweden und Norwegen wählten wir die Straße 765 bzw. 340 zwischen dem schwedischen Ort Valsjöbin und dem norwegischen Sørli, welcher ein Ortsteil von Lierne ist. |
Foto 2: Morgens in Schweden irgendwo südlich von Stockholm |
Die Fahrt mit dem Auto gestaltet sich landschaftlich reizvoll sobald man den flacheren Teil Schwedens verlässt und sich den Skanden nähert. Einige Kilometer vor der Grenze waren die Straßen teilweise dick vereist und selbst mit dem Allrad musste man aufpassen. Die in diesem Bereich wohnenden Skandinavier nuzen daher oft Spikes, welche in Deutschland seit 1975 weitestgehend verboten sind. Auch beim Anhalten am Straßenrand sollte man aufmerksam sein. So haben wir es einmal nicht geschafft, wieder auf die Fahrbahn zu kommen, weil der Wagen mit einer Seite über den vereisten Teerrand der Straße zum Stehen kam. Freundliche Norweger haben uns daraufhin mit einem Traktor herausgezogen. Wir bekamen noch den gut gemeinten Hinweis, dass es mit Spikes kein Problem gewesen wäre, aus eigener Kraft auf die Straße zurückzukommen. Entsprechend vorsichtig waren wir dann auch auf dem Forstweg zur Hütte. Dieser war mit Schnee und Eis bedeckt und an einem steilen Wegstück war das Vorankommen nicht mehr sicher möglich. Wir legten daher die letzten Kilometer zu Fuß zurück. Für den nächsten Tag war ein Gepäcktransport mit einem Schneemobil gebucht, für den Fall, dass es mit dem eigenen Auto bis zur Hütte nicht klappt. Die Fahrt mit dem Schneemobil und seinen zwei Anhängern war atemraubend und laut. Beim Rücktransport zog ich daher Skier vor. Unterkunft Als Unterkunft wählten wir eine einsam stehende Hütte am nordwestlichen Rand des Lierne Nasjonalparks. |
Foto 3: Hütte am nordwestlichen Rand des Nationalparks Lierne. |
Sie ist -wie einige andere Hütten- im Besitz der Gemeinde Lierne. Die Buchung erfolgte online über [2]. Über diese Seite lassen sich norwegenweit Hütten buchen. Will man speziell etwas in Lierne unternehmen, so empfiehlt sich zusätzlich [3]. Auf dieser Seite findet man mietbare Hütten im Einzugsbereich von Lierne. Die Kommunikation mit der Verwaltung geschah problemlos via Mails. Mit 615 NOKs pro Tag war die Hütte für norwegische Verhältnisse günstig. Allerdings gab es Strom nur via Solarpaneel, Wasser vom nahen Bach und aus Kanistern, Gas zum Kochen, Holz für die Ofenheizung und ein Plumpsklo im Schuppen. Dafür liegt die Hütte aber abseitig und naturnah. Vor Ort In Lierne gibt es viele Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen. Die langen skandinavischen Winterabende lassen überdies genug Zeit zum Relaxen. Touren sind im Bereich von Lierne im Dezember und Januar zwischen der Morgendämmerung, also zwischen 8:30 und 15:00, der Zeit der Abenddämmerung, möglich. Mit GPS oder/und klaren Wegverhältnissen sowie heller Stirnlampe lässt sich das natürlich beliebig verlängern. Als Fortbewegungsmöglichkeiten auf dem Fjell wählten wir Schneeschuhe, grundsätzlich sind auch Skier möglich. Im Dezember und Januar liegt jedoch noch nicht so viel Schnee flächendeckend, dass dies angeraten wäre. Anders sah es weiter unten im Wald und in dessen moorigen Bereichen aus. Hier konnte man gut Backcountry-Skier verwenden. |
Foto 4: Mooriges Gelände nahe des Baches Bjørnhimyrbekkens |
Die in Skandinavien üblichen Langlauf-Skier, dort auch als Backcountry-Skier bezeichnet, sind breiter als die in Mitteleuropa üblichen. Sie besitzen Stahlkanten und verfügen über eine Bindung, die ähnlich der normaler Langlaufskier ist, jedoch stabiler ausfällt, so z.B. die SNS XA von Salomon. Skier und Schuhe hatten wir uns in einem Fachgeschäft in Berlin ausgeliehen. Um Verwechslungen auszuschließen, sollte man wissen, dass die Bezeichnung Backcountry-Skiing in den USA die Verwendung von Tourenskiern off-piste bedeutet. Die Stahlkanten werden in steilen Passagen eingesetzt und der breitere Ski gibt im Schnee besseren Auftrieb. In Skandinavien werden diese Skier häufig außerhalb gespurter Loipen genutzt. Vorgespurte Loipen findet man zwar oft in Norwegen und Schweden, diese werden allerdings oft erst später im Winter gespurt, wenn ausreichend Schnee vorhanden ist. Im Dezember und Januar gibt es häufig starke Winde, so dass -besonders auf dem Fjell- frei geblasene Stellen die Benutzung von Skiern einschränken. Wenn man sich nur auf Skiern bewegen möchte, sollte man auf den Spätwinter ab März ausweichen. Zu Foto 4: Der Name des Baches Bjørnhimyrbekkens weist auf Bären hin, die es tatsächlich in der Gegend gibt. So weist die Gemeinde eines der größten Vorkommen von Braunbären in Norwegen auf. Die Nationalparkverwaltung [4] wirbt mit einem Bärencamp, das unter anderem über einen Aussichtsturm verfügt, um Bären aus sicherer Distanz zu beobachten. Da Bären Winterschlaf halten, waren jedoch nicht einmal Spuren von ihnen zu sehen. |
Foto 5: Unterwegs zwischen dem Berg Rovhtege und Hartkjølsdalen |
Besser ging es auf dem Fjell mit Schneeschuhen. Dort oben war das größte Problem der kalte und zeiweise starke Wind. So war es an einigen Tagen nicht möglich, in die Höhe zu kommen, da der Windruck zu groß war. Man lief Gefahr, durch den Wind vom Berg geworfen zu werden. Gipfeltouren Die flache Gestalt der Gipfel in der Gemeinde Lierne ist typisch für Skandinavien. Die Skanden sind ein deutlich älteres Gebirge als die Alpen und die Eiszeiten haben stark zur Erosion beigetragen. Die winterlichen Besteigungen mit Skiern und Schneeschuhen sind daher -vom technischen Anspruch aus betrachtet- oft leicht. Die Anzahl der möglichen Gipfel war durch die Randlage der Hütte zum Fjell, durch das windige Wetter und das kurze Tageslicht eingeschränkt. Dazu kam, dass es im Nationalpark so gut wie keine Wanderwege und keine Loipen gibt. Diese muss man sich selber suchen. Letztendlich gelang in 10 Tagen die Besteigung von drei Gipfeln. Es war zwar ein zweitägiger Ausflug mit Zelt Richtung Zentrum des Nationalparks geplant, wegen des wechselhaften und windigen Wetters wurde jedoch davon Abstand genommen. |
Foto 6: Auf dem Litlefjellet 831m mit Blick auf Rovhtege 1052m und Lohterennjuenie 1091m |
Eine Mail an die Nationalparkverwaltung im
voraus, erbrachte die Information, dass eine
Lawinenschutzausrüstung nicht notwendig war, da es noch
keine ausreichend geschlossene Schneedecke gab. Sturm, Sonne, Mond Diese drei Naturelemente waren zwar nicht an allen Tagen präsent, aber an den wenigen nahmen sie mehr Einfluss, als man es sonst gewohnt ist. |
Foto 7: Blick von unterhalb des Litlefjellet Richtung Nordwest |
Am oder hinter dem linken Bildrand von Foto 7 liegt das Nordende des Nationalparks Blåfjella–Skjækerfjella, welcher die Gemeindegrenzen von Lierne nach Süden überschreitet. Der Vollmond stand noch gegen 10 Uhr am Himmel und verstärkte die gefühlte Kälte. Auf dem Fjell kann er nachts manchmal helfen. Wenn der Himmel nicht stark bewölkt ist, erleichtert es dort besonders im Winter die Orientierung. Einmal hat der Mond mich genarrt, da sein starker Schein durch die Wolken an Polarlicht erinnerte. Um sich dies anzusehen, ging es in der Nacht auf das Fjell. Leider war es nur der Schein des Mondes hinter Wolken. Grundsätzlich ist es möglich, in Lierne Polarlicht zu sehen. Dies kommt dort jedoch seltener vor, als weiter nördlich. Will man wissen, ob es in der Nacht Polarlicht geben könnte, so kann man sich unter [5] die aktuelle Ausbreitung des Polarlichts ansehen. |
Foto 8: Sonne gegen 12:30 im Gipfelbereich des Rovthege auf ca. 1000 m |
Die Sonne sieht man im Dezember und Januar in Lierne nur im oberen Bereich des Fjells. Es ist ein beglückendes Gefühl, wenn man nach Tagen ohne Sonne diese wieder erblickt. Zwar ist es zwischen Morgen- und Abenddämmerung taghell, doch die Sonne ist vielerorts nicht zu sehen. Als ob sie sich hinter dicken Wolken versteckt. |
Foto 9: Schneesturm auf dem Fjell |
Dass es im Dezember/Januar in den Skanden recht windig werden kann, wurde schon mehrfach erwähnt. Es artet manchmal sogar zu Sturm aus. Solchen kann es jedoch nicht nur in diesen beiden Monaten geben. Bei Sturm sollte man auf dem Fjell möglichst schnell Deckung suchen oder besser den Rückzug antreten. Das Problem ist dann nicht nur die Kälte des Windes sondern, dass der Wind massiv Schnee verfrachtet und damit oft die Sicht stark einschränkt. Bei Foto 9 kann man ahnen, dass die Sicht vielleicht 100 Meter reicht. Dies ist zu wenig, um sich in weglosem Gelände zu orientieren. Die Kamera hatte Schwierigkeiten, den max. 10 Meter entfernten Stein zu fokusieren, da wirbelnde, feine Schneekristalle dies erschwerten. Dass aus einem Schneesturm tödlicher Ernst werden kann, mussten im Februar 2011 Touristen aus Deutschland unweit der Taumenvatnhütte in der Nähe von Ådneram in Südnorwegen erfahren. Sie fanden bei starkem Sturm nicht mehr zur Hütte zurück und erfroren im Schnee. Dieses Unglück ist nicht das einzige seiner Art. Daher gehören GPS und Schneeschaufel zur notwendigen Ausstattung für winterliche Fjellwanderungen. Der norwegische Wanderverein DNT gibt für Sommer und Winter Sicherheitsbroschüren heraus. In der letzteren erklärt er, dass man sich bei Schneesturm im Schnee eingraben oder Deckung in einer Mulde suchen soll. Dies ist angeraten, wenn ein orientiertes Weiterkommen nicht mehr möglich ist. Die Gefahr, dass man sich sonst verirrt und an Erschöpfung oder Unterkühlung stirbt, ist in einem Schneesturm recht groß [6]. Im Vergleich zu den Alpen würde ich die Skanden jedoch nicht als das gefährlichere Hochgebirge einstufen. Die Gefahrenpotentiale sind beiderorts unterschiedlich. So gibt es in den Alpen z.B. deutlich mehr Gletscherunfälle. Die Möglichkeiten Hilfe zu holen, sind in den Skanden hingegen oft geringer, da die Infrastruktur nicht so stark wie in den Alpen ist. Abschließend bleibt zu sagen, dass es nicht unser letzter Winter in den Skanden war. Allein die Aussicht doch noch das Polarlicht zu sehen, rechtfertigt den weiten Weg. |